Schützt Kurzarbeit vor betriebsbedingten Kündigungen in der Corona-Krise?

Die derzeitige weltweite Wirtschaftskrise als Folge der Corona-Pandemie hat auch deutsche Unternehmen hart getroffen. Um die qualifizierten Mitarbeiter zu erhalten und sich zumindest vorübergehend von den ansonsten weiterlaufenden Personalkosten zu entlasten, haben viele Unternehmen Kurzarbeit angemeldet, damit ihre Mitarbeiter Kurzarbeitergeld beziehen können. Sollte aber die Einführung von Kurzarbeit zur Überbrückung des erheblichen Auftrags- und Umsatzrückganges nicht den gewünschten Effekt erzielen, werden einige Unternehmen betriebsbedingte Kündigungen in Erwägung ziehen, wobei der nachfolgende Beitrag nur Betriebe betrifft, die in den Geltungsbereich des Kündigungsschutzgesetzes fallen.

Kündigung ohne Einführung von Kurzarbeit

Zunächst ist die Frage zu klären, ob betriebsbedingte Kündigungen, die ohne Einführung von Kurzarbeit ausgesprochen werden, unwirksam sein können. In diesem Zusammenhang ist zu beachten, dass Beendigungskündigungen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu wahren haben, mithin erst als äußerstes Mittel in Betracht kommen (Ultima-Ratio-Prinzip). So stellt die Kurzarbeit stets ein milderes Mittel gegenüber der betriebsbedingten Kündigung dar. Sollte ein Arbeitgeber nur von einem vorübergehenden Arbeitsmangel ausgehen, so fehlt es für eine Beendigungskündigung an dem notwendigen Dauermangel der Arbeitsmenge. Eine betriebsbedingte Kündigung wäre dann wegen des Vorrangs der Kurzarbeit nicht gerechtfertigt und damit unbegründet. Dies gilt vor allem dann, wenn vereinbarte Optionen zur Arbeitszeitreduzierung (etwa Kurzarbeit) in einem Unternehmen bereits bestehen, etwa einzelvertragliche Vereinbarungen mit dem betroffenen Arbeitnehmer oder Betriebsvereinbarungen bzw. Tarifverträge.

Allerdings kommt die Einführung von Kurzarbeit als milderes Mittel nicht in Betracht, wenn der Arbeitgeber nachweisen kann, dass zukünftig auf Dauer mit einem reduzierten Arbeitsvolumen und Beschäftigungsbedarf zu rechnen ist (BAG, Urteil vom 23.02.2012, 2 AZR 548/10). Ob nur ein vorübergehender Arbeitsmangel vorlag, dem mit Kurzarbeit hätte begegnet werden können, ist im Übrigen uneingeschränkt durch die Arbeitsgerichte nachprüfbar. So ist etwa bei einer gestaltenden unternehmerischen Entscheidung des Arbeitgebers (etwa zu einer Umstrukturierung und/oder Teilbetriebstilllegung) Kurzarbeit als milderes Mittel gegenüber einer betriebsbedingten Kündigung nicht vorrangig, da in diesem Fall Arbeitsplätze dauerhaft entfallen können. Betriebsbedingte Kündigungen wären in diesem Fall möglich.

Kündigung während laufender Kurzarbeit

In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage, ob bei bereits laufender Kurzarbeit in einem Betrieb bzw. Unternehmen betriebsbedingte Kündigungen ausgeschlossen bzw. als unwirksam anzusehen sind. Voraussetzung für die Einführung der Kurzarbeit ist u.a., dass ein vorübergehender Arbeitsmangel vorliegt. Davon geht auch ein Unternehmen aus, das die Kurzarbeit gegenüber der Bundesanstalt für Arbeit angezeigt und Kurzarbeitergeld für die Mitarbeiter beantragt hat. Hingegen setzt eine betriebsbedingte Kündigung u.a. den dauerhaften Fortfall der Arbeitsmenge voraus. Daher sind betriebsbedingte Kündigungen während der Kurzarbeit nicht durchsetzungsfähig, wenn ein vorübergehender Arbeitsmangel vorliegt und daher das Unternehmen die Kurzarbeit eingeführt hat.

Ausnahmsweise können betriebsbedingte Kündigungen trotz Kurzarbeit gerechtfertigt sein. Dies ist dann der Fall, wenn über die Gründe hinaus, die zur Kurzarbeit geführt haben, weitergehende inner- oder außerbetriebliche Gründe vorliegen, die auf Dauer den Arbeitsplatz eines Arbeitnehmers entfallen lassen (BAG, Urteil vom 26.06.1997 – 2 AZR 494/96). So kann sich die Situation während der Kurzarbeit durch die fortwährende Corona-Krise dahingehend verschlechtert haben, dass etwa wichtige Kunden bzw. Lieferanten in die Insolvenz gegangen sind. Die ursprüngliche Prognose des Arbeitgebers für einen vorübergehenden Arbeitsausfall hat sich dann geändert, sodass fortan von einem dauerhaften Beschäftigungswegfall auszugehen wäre. Allerdings dürfte für den Arbeitgeber die Dauerhaftigkeit des Arbeitsmangels in Einzelfällen schwer zu begründen sein. Denn derzeit ist es noch nicht absehbar, wie lange die Maßnahmen (etwa durch Rechtsverordnungen der Bundesländer) zur Bekämpfung der Pandemie andauern werden. Für diese veränderten bzw. zusätzlichen Umstände, die über den zunächst angenommenen vorübergehenden Arbeitskräftebedarf hinausgehen, trifft den Arbeitgeber eine besonders hohe Darlegungs- und Beweislast in einem Kündigungsschutzprozess.

Entscheidet sich der Arbeitgeber in einem Betrieb bzw. Unternehmen während der laufenden Kurzarbeit aus den vorgenannten Gründen nun doch, dem Arbeitnehmer betriebsbedingt zu kündigen, entfallen mit dem Ausspruch der Kündigung die Voraussetzungen für die Gewährung des Kurzarbeitergeldes. Dies führt dazu, dass der Arbeitgeber dem gekündigten Arbeitnehmer die Vergütung mindestens in Höhe des wegfallenden Kurzarbeitergeldes zu zahlen hat und zwar bis zum Ende der Kündigungsfrist, es sei denn, einzel- und/oder kollektivvertragliche Regelungen sehen in diesem Fall sogar den vollen Vergütungsanspruch vor.

Fazit
Betriebsbedingte Kündigungen während oder auch vor Einführung der Kurzarbeit sind unwirksam, wenn nur ein vorübergehender Arbeitsmangel in einem Betrieb bzw. Unternehmen vorhanden ist. Sollte dauerhaft mit einem reduzierten Arbeitsvolumen – auch aufgrund veränderter und zusätzlicher Umstände während der Kurzarbeit – zu rechnen sein und der Arbeitgeber dies nachweisen können, sind betriebsbedingte Kündigungen nicht ausgeschlossen. Dieser Nachweis dürfte aber für den Arbeitgeber während bestehender Kurzarbeit in Anbetracht der nicht absehbaren Dauer der Corona-Maßnahmen besonders schwierig sein. Im Übrigen hängt die Wirksamkeit einer betriebsbedingten Kündigung noch von anderen Faktoren ab, etwa von der Vornahme einer ordnungsgemäßen Sozialauswahl und dem Fehlen von Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten auch zu geänderten Bedingungen

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